Das Münchner Baulandmodell SoBoN 2021:
Planungsabsprachen für den Wohnungsbau

(Dieser Artikel ist im JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023 als Co-Publishing-Beitrag erschienen, hier wiedergegeben mit freundlicher Zustimmung des JUVE-Verlags.)

Der Wohnraummangel veranlasste den Stadtrat der Landeshauptstadt München schon zu Beginn des Jahres 1994 mit der SoBoN (sozialgerechte Bodennutzung) zu beschließen, dass und wie die Planbegünstigten eines Bebauungsplanverfahrens an den mit neuen Wohnbaurechten einhergehenden kommunalen Lasten beteiligt werden und wie man einen Geschossflächenanteil an begünstigtem (gefördertem) Wohnraum sicherstellt. Es ging um Handreichungen an die Verwaltung zum einheitlichen Vollzug (Gleichbehandlung) und darum, dass unter Beachtung von Hinweisen aus der Rechtsprechung ein Baulandmodell mit angemessener Lastenverteilung praktiziert wird. 

Jeder Bebauungsplan in München ist seitdem von einem Städtebaulichen Vertrag (notariell, sog. Grundvereinbarung) begleitet, in dem die Pflichten der Planbegünstigten und ihr Einverständnis mit dem Planungsergebnis ausformuliert sind.

Seit 1994 gab es mehrere modifizierende Beschlüsse zur SoBoN, letztmalig 2017. Nach der Kommunalwahl 2020 wurden in den Koalitionsvertrag zwischen GRÜNEN und SPD Leitgedanken für eine dringliche Änderung der SoBoN aufgenommen. Im Juli 2021 hat sie der Stadtrat für neue B-Planverfahren beschlossen. Bereits laufende Altverfahren werden nach den früheren Regeln abgeschlossen. 

Kernaussagen

  • Das Münchner Wohnbaulandmodell SoBoN hat eine 28-jährige, gefestigte Tradition – es ist 2021 reformiert worden.
  • Wer Planbegünstigter für Wohnbaurechte werden will, muss sich nach den Regeln der SoBoN 2021 in notariellem Vertrag binden. Er trägt höhere Lasten als bisher.
  • Die Stadt verlangt Bindung zu mindestens vier von sechs Bausteinen – hoher Prozentsatz Sozialer Wohnungsbau, 40 Jahre Bindungsdauer, pauschalierter Infrakostenstruktur-beitrag, Ausschluss von WEG-Aufteilung für Anteil des Wohnbaurechts.
  • Der Planbegünstigte kann in einer bestimmten Bandbreite Bindungsquoten selbst bestimmen, muss aber damit in einem vorgegebenen Punktekatalog 100 Punkte erreichen.

Die ursprünglichen Grundsätze

Ausgehend von Gesetz und Rechtsprechung, insbesondere zu sog. Einheimischen-Modellen, werden in München seit jeher im Rahmen der SoBoN folgende Grundsätze praktiziert:

  • Leistungspflichtig sind Eigentümer oder gesicherte Erwerber künftiger Wohnbaurechtsflächen.
  • Planbegünstigte tragen die ursächlichen Kosten des Planungsvorhabens und leisten kostenfreie Flächenabtretungen für Grün- und Verkehrsflächen, Immissionsschutzanlagen, Gemeinbedarfseinrichtungen (KiTa) und naturschutzfachlichen Ausgleich.
  • Sie tragen die Herstellungskosten für Erschließung und Ausgleichsmaßnahmen.
  • Sie tragen einen Anteil der Herstellungskosten für die ursächliche soziale Infrastruktur (Grundschul-, KiTa-Plätze).
  • Sie tragen die Verfahrenskosten einschließlich etwaiger Wettbewerbe, Honorare von Gutachtern und Planern etc.
  • Sie gehen kostenrelevante Bindungen für einen Anteil geförderten Mietwohnungsbaus oder auch preisbegünstigten Eigentumserwerbs ein. Seit vielen Jahren beträgt der Anteil geförderter/preisgebundener Wohnungen 30%, seit SoBoN 2017 sind es 40%, des neu geschaffenen Wohnbaurechts (Geschossfläche).

Die vertraglichen Regelungen sind sehr detailliert, monatelange Verhandlungen sind unvermeidbar, die Detaillösungen oftmals schwierig zu erarbeiten. Im Ergebnis hat sich über die Jahrzehnte durchaus eine Routine eingestellt. Allen Beteiligten war in der Regel schon beim Grunderwerb bewusst, worauf die Belastungen aus der SoBoN hinauslaufen.

Vorgaben für die SoBoN 2021

Aus dem Koalitionsvertrag „Mit Mut, Visionen und Zuversicht: Ganz München im Blick“ vom Mai 2020 war zu lesen, dass deutliche, zusätzlich belastende Veränderungen kommen. Die Stichworte dazu aus dem Koalitionsvertrag: 

  • 50% der Baurechtsflächen an die Stadt übertragen
  • Dauerhafte Bindung der geförderten Wohnungen, nicht nur wie bisher für 25 Jahre
  • Dies auch auf privaten Entwicklungsflächen
  • Beiträge für weitere Infrastrukturmaßnahmen, wie Alten-/Pflegeeinrichtungen, weiterführende Schulen, kulturelle Einrichtungen, ÖPNV-Erschließungskosten

Solaranlagenpflicht

  • Verstärkung genossenschaftlicher Wohnungsbauprojekte
  • Vergabe städtischer Grundstücke nur als Erbbaurechte
  • Erhöhung des Anteils des geförderten Wohnungsbaus auf städtischen Flächen von 50% auf 60%

Blick über den Zaun

Der Paradigmenwechsel hin zu städtischem Flächenerwerb lenkte den Blick auf Baulandmodelle anderer Städte wie Ulm, Münster, Frankfurt, Hamburg. In Anbetracht der Preissituation am Grundstücksmarkt in München wurde deutlich, dass diesem Weg in München enge Grenzen gesetzt sind. Den langen zeitlichen Vorlauf, bis in städtischer Hand Wohnbaurechte rechtswirksam werden können, galt es ebenso zu bedenken, wie den wirtschaftlichen Anreiz für Unternehmer zu erhalten, sich auf langjährige B-Plan-Verfahren einzulassen, eine verfahrensbedingte Verteuerung der fertiggestellten Wohnungen zu vermeiden, möglichst viel Wohnungsbaurechte durch das Verfahren zu bringen. Die Idee, den WEG-Eigentumswohnanteil auf 10% zu beschränken, wurde nach einiger Zeit fallengelassen. Auch der erwogene Zwangsverkauf von Plangebietsbereichen an die Stadt zu bestimmtem, reduziertem Preis vor Beginn des Bebauungsplanverfahrens setzte sich nicht durch.

Die langjährige Sozialbindung und das Erbbaurechtsprinzip bei der Vergabe städtischer Flächenanteile wurde aufgegriffen und vertieft, ausgehend von Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 08.02.19 (V ZR 176/17), vom 16.03.18 (5 ZR 306/16) und vom 26.06.15 (V ZR 144/14). Letztlich wurde klar, dass die Übernahme eines Modells aus einer anderen Stadt nicht in Frage kam.

Die SoBoN 2021

Die neuen Verfahrensgrundsätze für die SoBoN 2021 lösen sich von der bisherigen Praxis der einheitlichen Vorgabe. Der Planbegünstigte kann jetzt innerhalb einer Bandbreite unter Berücksichtigung seiner eigenen Ziele, seiner Kalkulation wählen, muss sich aber verbindlich gegenüber der Stadt erklären. Auf der Internetseite muenchen.de/infos/sozialgerechte-bodennutzung.html sind die Grundsätze und in weiteren Untermenüs die Verfahrensvorgaben im Detail einzusehen. Zentrales Element für die Auswahl sind sechs so bezeichnete Bausteine, die der Planbegünstigte gewichten muss, damit er nach einem festen Katalog Punkte erhält. Es müssen durch Gewichtung 100 Punkte erreicht werden, sonst gibt es keinen Bebauungsplan.

Die 4+2 Bausteine

Die sechs Bausteine sind:

  • der Prozentsatz am neu geschaffenen Wohnungsbaurecht für den geförderten/preisgebundenen Wohnungsbau mit 5 Punkten für 40% bis 50 Punkten für 65%
  • die Vereinbarung eines WEG-Aufteilungsverbots mit 5 Punkten für 50-55% der Gesamt-Wohn-GF bis 50 Punkten für 100% – jeweils einschließlich gefördertem Wohnungsbau
  • die schuldrechtliche Verpflichtung zu einer Bindungsdauer für den geförderten Wohnraum von 40 Jahren mit 10 Punkten
  • ein pauschalierter sozialer Infrastrukturkostenbeitrag pro zugelassenem Quadratmeter Geschossfläche Wohnen mit fünf Punkten für 100 Euro bis 35 Punkten für 250 Euro
  • der prozentuale Verkauf der neu geschaffenen Wohnbaurechts-GF an die Stadt von 5 Punkten für 5% bis 50 Punkten für 50% der Gesamt-Wohn-GF
  • der prozentuale Verkauf der neu geschaffenen Wohnbaurechts-GF an Genossenschaften von 5 Punkten für 10% bis 15 Punkten für 30% der Gesamt-Wohn-GF

Hinzu kommen die bisher üblichen Lasten (siehe oben).

Das 100-Punkte-Prinzip mit seinen Wahlmöglichkeiten baut auf der städtischen Vorstellung eines sog. Grundmodells auf, das ohne Verkauf von Wohnbaurechtsflächen an die Stadt auskommt mit 

  • 40 Punkten für 60% der Gesamtwohnbaurechts-GF als Quote für den geförderten Wohnungsbau und den preisgedämpften Mietwohnungsbau
  • 30 Punkten für WEG-Aufteilungsverbot für 80% der Wohnbaurechts-GF (einschließlich gefördertem Wohnungsbau)
  • 20 Punkten für 175,00 EUR Infrastrukturkostenbeitrag
  • 10 Punkten für 40 Jahre Bindungsfrist

Wer sich für eine individuelle Modelllösung entscheidet, muss bedenken, dass er aus diesen vier Grundbausteinen auf jeden Fall wählen muss, mit den beiden Verkaufs-Zusatzbausteinen an Stadt/Genossenschaft kann er lediglich noch fehlende Punkte auf 100 Punkte auffüllen. 

Die Stadt hofft darauf, dass sich Planbegünstigte zum Verkauf von GF-Flächenanteilen an die Stadt München entscheiden. Die Kaufpreise sind niedrig, 375 Euro/m² GF für geförderten Mietwohnungsbau, 675 Euro/m² GF im städtischen Förderprogramm München Modell Miete, 1.200 Euro/m² GF im preisgedämpften Mietwohnungsbau. Auch kommt ein Verkauf nur für eine Mindestfläche von 2.500 m² Baurechts-GF in Frage.

Wie das neue Modell von den potenziellen Planbegünstigten, von Investoren, von Bestandshaltern, von Wiederverkäufern, vom Markt angenommen wird, ist offen. Ebenso ist offen, ob die Wohnungen letztlich teurer oder die Grundstücke für Bauerwartungsland preiswerter werden.

Unverändert bleibt die Praxis, dass am Ende des Planungsprozesses die Angemessenheit der geforderten Leistungen durch Wertermittlung seitens der Stadt festgestellt wird. Dem Anfangswert des Plangebiets wird dessen Endwert gegenübergestellt, die Differenz ist der planungsbedingte Wertzuwachs, von ihm soll mindestens ein Drittel bei den Planbegünstigten verbleiben, nachdem die gesamten zu erbringenden Leistungen wertmäßig abgezogen wurden.

Im Städtebaulichen Vertrag sind entsprechende Sicherungen, Sicherheiten, Fristen, kurz alles, was seit jeher üblich ist, weiterhin zu vereinbaren. Als erstes muss der Planbegünstigte die sog. Grundzustimmung, also sein Einverständnis mit der SoBoN 2021 erklären, in der später folgenden, notariell beurkundeten Grundvereinbarung nach inhaltlicher Verfestigung des Planungsprozesses werden die Details festgelegt. Dann erst kann der Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan gefasst werden.

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