Ende des Schriftformerfordernisses?

1. Ausgangslage

§ 550 BGB bestimmt, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als 1 Jahr fest abgeschlossen wird, der Schriftform bedarf. Ist die Schriftform nicht eingehalten, ist der Vertrag aber nicht etwa unwirksam. Er gilt vielmehr gemäß § 550 BGB als für unbestimmte Zeit abgeschlossen mit der Folge, dass er – abweichend von einer im Mietvertrag vereinbarten festen Laufzeit – mit der gesetzlichen Frist ordentlich gekündigt werden kann.

Die Regelung diente historisch dem Schutz eines gem. § 566 BGB in den Mietvertrag eintretenden Erwerbers des Grundstücks, der sich allein anhand der Vertragsurkunde darüber informieren können soll, in welche Verpflichtungen er bei einem Kauf des Grundstücks eintritt.

Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dieses Kündigungsrecht kaum je von einem Erwerber ausgeübt wird, sondern fast immer von den ursprünglichen Vertragsparteien, denen der Mietvertrag – aus welchen Gründen auch immer – lästig geworden ist. Deshalb hat § 550 BGB auch solche Beinamen wie „goldene Pforte“, „Kündigungsjoker“ oder „Reuerecht“ bekommen.

§ 550 BGB verursacht vor allem bei Immobilientransaktionen einen enormen Aufwand und stellt oft ein Argument für die Preisverhandlungen dar, da wertbildender Faktor für den Investor häufig nicht das Grundstück ist, sondern gerade der langfristige Mietvertrag.

2. Gesetzesentwurf

Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat im Oktober 2021 einen „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schriftformerfordernisses im Gewerbemietrecht“ auf seiner Homepage veröffentlicht.

Der Entwurf sieht vor, dass § 550 BGB drastisch gekürzt wird, in § 578 BGB die Angabe „550“ gestrichen werden und für Gewerberäume ein neuer § 578a in das BGB eingefügt wird. In Absatz 1 dieses § 578a BGB ist unverändert die Regelung enthalten, dass ein Gewerbemietvertrag, der für längere Zeit als 1 Jahr abgeschlossen wird, als für unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Der zweite Absatz von diesem § 578a BGB sieht vor, dass ein Rechtsgeschäft zur Änderung des Mietvertrags nur der Textform bedarf.

Bestrebungen, nur einem Grundstückserwerber ein solches Kündigungsrecht zuzubilligen, ist der Gesetzentwurf also nicht gefolgt.

3. Kritik

Interessierte hatten bis Januar 2022 Gelegenheit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Davon haben vor allem die Verbände regen Gebrauch gemacht. Die Bestrebungen, § 550 BGB zu reformieren, werden durchgehend befürwortet, der Gesetzentwurf hat jedoch viel Kritik erfahren (vgl. etwa Häublein/Jacoby/Lehmann-Richter ZMR 2022, 265).

Kritisiert wird dabei insbesondere, dass:

  • die Annahme des BMJ, dass die meisten Schriftformprobleme bei der nachträglichen Änderung von bestehenden Mietverträgen auftreten würden, empirisch nicht belegt sei;
  • Schriftformprobleme bei Nachträgen zu einem bestehenden Mietvertrag ihre Ursache zumeist darin finden dürften, dass die Parteien gar nicht daran denken, dass der Nachtrag der Schriftform bedürfen könnte, also nicht darin, dass sie das Schriftformerfordernis fehlerhaft handhaben würden;
  • es einen Systembruch darstellen würde, dass erstmals für die Änderung eines Vertrags eine andere Form eingeführt würde als für dessen Abschluss sowie dass die Nichteinhaltung dieser Form eine strengere Rechtsfolge (nämlich Nichtigkeit gem. § 125 BGB) nach sich ziehen würde als für den Verstoß gegen die für den Abschluss des Vertrags vorgeschriebene Form (nur Kündbarkeit gem. § 550 BGB); und
  • die Textform des § 126b BGB eigentlich auf einseitige Willenserklärungen zugeschnitten sei und die Anforderungen für einen Vertragsabschluss in Textform gar nicht geregelt seien.

Unter anderem aus diesen Gründen wird häufig die Auffassung vertreten, dass § 550 BGB ersatzlos abgeschafft werden sollte.

Es bleibt demnach also abzuwarten, ob, wann und mit welchem Inhalt § 550 BGB jemals reformiert werden wird.

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