Neues von der Sozialversicherungspflicht für Gesellschafter-Geschäftsführer?
Das Bundessozialgericht hat im Jahre 2012 eine wegweisende Änderung seiner Rechtsprechung zur Sozialversicherungspflicht von mitarbeitenden Gesellschaftern und Geschäftsführern eingeleitet. Bis dahin war es jahrzehntelange Verwaltungspraxis und ständige Rechtsprechung, dass eine gelebte, faktische Weisungsfreiheit, z.B. wegen familiärer Bindungen, in der Sozialversicherung zur Versicherungsfreiheit führte. Das Bundessozialgericht hat diese Rechtsprechung im Jahr 2012 geändert und seitdem fortentwickelt. Danach gilt, dass eine nur eingeschränkte Möglichkeit, unliebsame Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern (sog. eingeschränkte Sperrminorität), die sich nicht auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft bezieht, zu einem abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis führt. Nach der im Jahr 2012 geänderten Rechtsprechung waren mitarbeitende Gesellschafter-Geschäftsführer mit mindestens 50 % Stammkapital und Stimmrecht und mitarbeitende Gesellschafter-Geschäftsführer unter 50 % mit der Möglichkeit, qua Gesellschaftsvertrag sämtliche Beschlüsse der anderen Gesellschafter zu verhindern, in aller Regel nicht abhängig beschäftigt und damit sozialversicherungsfrei.
Ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.12.2022 – B 12 Kr 16/20 –, das zur Mitarbeit eines Gesellschafters erging, der nicht zugleich zum Geschäftsführer bestellt war, könnte eine Änderung der Rechtsprechung zu Gesellschafter-Geschäftsführern einleiten. Das Bundessozialgericht führt – insoweit nicht neu – in dem Urteil aus, dass Gesellschafter, die einen Stimmanteil von maximal 50 % halten, selbst dann sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, wenn sie über eine umfassende Sperrminorität verfügen. Das Bundessozialgericht begründet dies zunächst damit, dass es auch bei der statusrechtlichen Einordnung von Gesellschafter-Geschäftsführern nicht nur auf deren Weisungsfreiheit ankomme. Vielmehr müsse ein nicht abhängig beschäftigter Gesellschafter-Geschäftsführer in der Lage sein, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens umfassend Einfluss zu nehmen und damit das unternehmerische Geschick der GmbH insgesamt wie ein Unternehmensinhaber lenken können. Dafür brauche es grundsätzlich eine sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Gestaltungsmacht. Anderenfalls sei der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht im „eigenen“ Unternehmen tätig, sondern in funktionsgerecht dienender Weise in die GmbH als seine Arbeitgeberin eingegliedert. Dies gelte grundsätzlich auch für im Leitungsbereich einer GmbH mitarbeitende, nicht zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter.
Im Weiteren führt das Bundessozialgericht entsprechend seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung aus, dass seine Position als mitarbeitender Gesellschafter nicht derjenigen eines Gesellschafter-Geschäftsführers entspreche, der nach der Senatsrechtsprechung deshalb als nicht beschäftigt beurteilt werde, weil er zumindest 50 % der Anteile am Stammkapital hält oder als Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer über eine die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassende Sperrminorität verfüge. Denn es fehle dem Gesellschafter trotz seines hälftigen Anteils und der Möglichkeit, jegliche (Einzel-)Weisung im Rahmen des auf die Gesellschafterversammlung übertragenen Direktionsrecht zu verhindern, die Führungsfunktion des Geschäftsführers, um die Geschicke des Unternehmens wesentlich mitzubestimmen. Und nun kommt die weitere Begründung, die Sprengkraft enthält: Gerade die gewöhnliche Geschäftsführung als das wesentliche Betätigungsfeld des Geschäftsführers müsse von der Sperrminorität umfasst sein, um dessen abhängige Beschäftigung auszuschließen. Dafür reiche die Übertragung eines Teils der unternehmerischen Tätigkeit, z.B. für den Einkauf und die Logistik, nicht. Er habe nämlich nicht insgesamt die gesellschaftsrechtlich verankerte Rechtsmacht zu verhindern, dass der Geschäftsführer maßgebende Rahmenbedingungen vorgibt, in die sich die Erbringung seiner Arbeitsleistung eingliedert.
Doch was bedeutet dies für Geschäftsführer, die zwar eine umfassende Sperrminorität, aber nur eine Minderheitsbeteiligung haben. Wird das Bundessozialgericht diesen zukünftig noch die Möglichkeit zusprechen, die Geschicke der GmbH zu bestimmen? Dies erscheint insbesondere dann fraglich, wenn dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer nur einzelne Tätigkeitsbereiche zugewiesen sind. Dem Urteil vom 13.12.2022 ist zwar nicht zu entnehmen, dass das Bundessozialgericht eine Rechtsprechungsänderung auch bei Gesellschafter-Geschäftsführern andenkt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass das Bundessozialgericht seine Rechtsprechung fortentwickelt und in Zukunft auch alle Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Minderheitsbeteiligung trotz Sperrminorität als sozialversicherungspflichtig eingestuft werden.
Möchte man solchen Risiken begegnen, ist Gesellschafter-Geschäftsführern zu empfehlen, jetzt ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung einzuleiten, da nach der aktuellen Weisungslage und Rechtsprechung die Sperrminorität für Gesellschafter-Geschäftsführer noch ausreicht, selbst wenn sie nur eine Minderheitsbeteiligung haben. Ein entsprechender Bescheid würde einen sozialversicherungsrechtlichen Schutz auch im Falle einer späteren Fortentwicklung der Rechtsprechung bis zur Aufhebung eines entsprechenden Bescheides mit sich bringen. Ein Statusfeststellungsverfahren als sicherster Weg ist daher dringend zu empfehlen.