Achtung! Verjährung des Erfüllungsanspruchs samt Folgeschäden vor Nacherfüllungsanspruch?!

Grundsätzlich rechnet jeder mit einer Gewährleistungszeit von 5 Jahren (für den VOB/B-Vertrag ggf. auch nur 4 Jahre) für Mängelansprüche, die bei der Umsetzung eines Bauvorhabens mit der Abnahme entstehen. 

Dies ist gefährlich, da der BGH mit Urteil vom 19.05.2022 – VII ZR 149/21 mittlerweile entschieden hat, dass bei einem nicht abgenommenen, stillstehenden Bau Schadensersatzansprüche bereits 3 Jahre nach dem Stillstand verjähren können! Es ist davon auszugehen, dass dies auch für den Erfüllungsanspruch gilt.

  1. Sachverhalt (vereinfacht)

Mit Bauvertrag vom 30.01.2008 verpflichtete sich der Bauunternehmer (Beklagter) gegenüber dem Bauherrn (Kläger) zur Erstellung eines Einfamilienhauses innerhalb einer Bauzeit von drei Monaten. Für den Fall einer vom Beklagten schuldhaft verursachten Überschreitung der Bauzeit vereinbarten die Parteien eine Vertragsstrafe in Höhe von 45 EUR pro Tag, begrenzt auf maximal 200 Tage. Baubeginn war im Juni 2008. In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Leistung des Beklagten, woraufhin der Kläger Abschlagsrechnungen nicht mehr beglich. Daraufhin stellte der Beklagte seine Arbeiten ein.

Mitte August setzte der Kläger dem Beklagten eine angemessene Frist zur Wiederaufnahme der Arbeiten und zur mangelfreien Fertigstellung der Arbeiten bis zum 05.09.2008. Der Beklagte ließ die Fristen fruchtlos verstreichen.

Im März 2013 erklärte der Kläger, nachdem in einem anderweitigen Prozess die Klage des Beklagten auf Abschlagszahlungen wegen mangelhafter Bauleistung des Beklagten abgewiesen worden war, den Rücktritt vom Vertrag. Nach einem Teilabriss und der Neuherstellung der betroffenen Gebäudeteile zog der Bauherr im Juni 2015 in das Haus ein.

Im März 2017 verklagte der Kläger den Beklagten auf Rückzahlung einer Überzahlung, Schadensersatz sowie die Zahlung einer Vertragsstrafe. Die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche umfassten den Ersatz von Einlagerungskosten, Bereitstellungszinsen, aufgewendeten Mietkosten und eines Nutzungsentgangs wegen Leistungsverzugs des Beklagten.

Das Berufungsgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.

Es stellte auf § 217 BGB ab, wonach die Ansprüche auf Rückzahlung der Überzahlung und auf Schadensersatz mit dem Hauptanspruch (= Erfüllungsanspruch), der der regelmäßigen Verjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB) unterliegt, verjährt seien. Das Gericht ließ die Revision u.a. hinsichtlich der Frage zu, ob der Erfüllungsanspruch vor dem Nacherfüllungsanspruch verjähren könne.

  1. Entscheidung des BGH

Im Ergebnis hat der BGH das Urteil des Berufungsgerichts bestätigt. Der Beklagte konnte demzufolge sowohl hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen Verzugs des Beklagten mit der Herstellung der Leistung als auch gegenüber dem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe die Einrede der Verjährung erheben. Allerdings ließ der BGH offen, ob § 217 BGB auf Verzugsschadensersatzansprüche (§§ 280 I, II, 286 I BGB) anwendbar ist und ob der zugrunde liegende Erfüllungsanspruch des Klägers ebenfalls verjährt ist.

Der BGH stellt in seinem Urteil fest, dass der Anspruch auf Ersatz des infolge Verzugs eingetretenen Schadens (§§ 280 I, II, 286 I BGB) bereits unmittelbar der regelmäßigen Verjährung, mithin einer Verjährungsfrist von drei Jahren, unterliege (§ 217 BGB daher nicht anzuwenden sei). Die vertragliche Verpflichtung des Beklagten, ein Einfamilienhaus zu erstellen, sei drei Monate nach Baubeginn im Juni 2008 und damit im September 2008 fällig geworden, sodass sich der Beklagte spätestens mit Ablauf des Septembers 2008 in Verzug befand (§ 286 II Nr. 2 BGB). Der Kläger hatte von dem Fälligkeitszeitpunkt seines Erfüllungsanspruchs und somit von den den Verzugseintritt begründenden Tatsachen Kenntnis, sodass die dreijährige Verjährung mit Schluss des Jahres 2008 begann und am 31.12.2011 abgelaufen war. 

Weiter führte der BGH aus, dass sich der Schadenseintritt bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit bestimme. Der gesamte Schaden, der auf einem einheitlichen Verhalten beruht, gelte bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten. Dies erfasse auch zukünftige Schadenspositionen, sofern sie im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung als möglich voraussehbar waren. Für eine solche Spätfolge werde keine selbstständige Verjährungsfrist in Gang gesetzt. Der Geschädigte habe sich bezüglich aller weiterer Schadensfolgen gegen die Verjährung, die bereits mit dem ersten Schadenseintritt beginne, durch die Erhebung einer Feststellungsklage abzusichern.

Auch der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Vertragsstrafe ist demnach verjährt. Die Vertragsstrafe sei im Jahr 2009 vollständig verwirkt worden, sodass der im selben Jahr (2009) entstandene Anspruch gem. §§ 195, 199 I BGB am 31.12.2012 verjährt sei.

  1. Fazit

Auch wenn der BGH offengelassen hat, wann der einem Bauvertrag zugrundeliegende Erfüllungsanspruch verjährt, ist insoweit von einer Regelverjährung beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auszugehen. Hierfür entscheidend ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistung. 

In Konstellationen, in denen der Bauunternehmer die Fertigstellung des Bauvorhabens kalendermäßig schuldet, wird der Anspruch mit Ablauf dieser Frist fällig. Die Verjährungsfrist sowohl für den Erfüllungsanspruch als auch für einen möglichen Schadensersatzanspruch wegen Verzugs beginnt mit Ende dieses Jahres zu laufen. Aber auch in Fällen ohne vereinbarte Fertigstellungsfrist ist höchstvorsorglich davon auszugehen, dass ab dem Zeitpunkt, ab dem das Bauvorhaben nicht mehr weiterbetrieben wird, der Erfüllungsanspruch alsbald fällig ist und die Verjährungsfrist (auch für den Verzugsschadensersatzanspruch) mit Jahresende zu laufen beginnt.

Der Bauherr muss in diesen Fällen vor Ende der dreijährigen Regelverjährung (gerechnet ab Ende des Jahres des Baustillstands) verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen. Erklärt er rechtzeitig die Abnahme (unter Vorbehalt der Mängel), kann er seine Ansprüche (zumindest) als Nacherfüllungsansprüche innerhalb der für Mängelansprüche geltenden Verjährungsfrist weitere 5 Jahren (nach VOB/B ggf. nur 4 Jahre) ab Abnahme weiterverfolgen.

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