Beschlusszwang für bauliche Veränderungen:
„Einfach drauf los bauen“, geht nicht!

Mit Urteil vom 17.03.2023 (Aktenzeichen IV ZR 140/22) hat der BGH entschieden, dass bei einer baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums gemäß § 20 WEG ein vorheriger Gestattungsbeschluss unumgänglich ist. Wer vorher keine Absprache mit der Eigentümergemeinschaft trifft, darf nicht (weiter)bauen. Nach dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG), das zum 01.12.2021 in Kraft getreten ist, ist die bauliche Veränderung nunmehr in § 20 WEG geregelt und nicht mehr in § 22 WEG.

  1. Sachverhalt (vereinfacht)

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Die Anlage besteht aus zwei Doppelhaushälften. Die Beklagten beabsichtigten gegen den Willen der Klägerin den Bau eines Swimmingpools in der von ihnen genutzten Hälfte des Gartens. Nach Baubeginn erwirkte die Klägerin zunächst einen Baustopp im Wege der einstweiligen Verfügung. Ihre im November 2020 erhobene Klage auf Unterlassung hatte vor dem Amtsgericht Bremen Erfolg. Das Landgericht Bremen wies die Berufung zurück, schon weil es an einem gestattenden Beschluss gemäß § 20 Abs. 1 WEG fehle. Dagegen legte die Klägerin Revision ein, die sie insbesondere mit einem Anspruch auf Gestattung nach § 20 Abs. 3 WEG begründete.

  1. Entscheidung des BGH

Der BGH hat die Entscheidung des Landgerichts Bremen bestätigt. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 20 WEG zu, da es an einem Gestattungsbeschluss gem. § 20 Abs. 1 WEG fehlt.  

Bei dem Bau eines Swimmingpools, so der BGH, handelt es sich um eine bauliche Veränderung im Sinne von § 20 Abs. 1 WEG, die einen Gestattungsbeschluss der GdWE erfordert. Da das Erfordernis einer Gestattung durch Beschluss weder in der – ergänzten – Gemeinschaftsordnung noch konkludent abbedungen wurde, musste spätestens vor Baubeginn ein Gestattungsbeschluss der bauwilligen Wohnungseigentümer eingeholt werden. Als maßgeblich für seine Entscheidung sieht der BGH den Umstand an, dass sich der Gesetzgeber gemäß § 20 Abs. 1 WEG n.F. für einen Beschlusszwang entschieden hat. Vor Inkrafttreten des WEMoG zum 01.12.2020 war es umstritten, ob solche baulichen Veränderungen eines Beschlusses bedurften. Durch die Neuregelung im WEMoG soll dem BGH zufolge nunmehr sichergestellt werden, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums zeitnah informiert werden und der bauwillige Wohnungseigentümer durch einen rechtskräftigen Beschluss sowie infolge der dadurch eintretenden Rechtssicherheit einen Vorteil erlangt. Zudem entfaltet der Beschluss auch gegenüber Sondernachfolgern Bindungswirkung. Der BGH führt weiter aus, dass im Falle einer Versagung der Gestattung, also bei einem ablehnenden Beschluss, die erforderliche Gestattung gerichtlich im Wege einer Beschlussersetzungsklage gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG herbeizuführen ist, und zwar vor Baubeginn.

Der BGH hat insbesondere keinen dem Unterlassungsanspruch entgegenstehenden Anspruch der Beklagten gemäß § 20 Abs. 3 WEG i.V.m. § 242 BGB (Treu und Glauben) gesehen. Zwar gibt § 20 Abs. 3 WEG einem bauwilligen Wohnungseigentümer grundsätzlich einen Anspruch auf Änderung des Gemeinschaftseigentums. Aber auch wenn eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums keinen Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt, bedarf es zuvor eines legitimierenden Beschlusses gem. § 20 Abs. 1 WEG. Einem Unterlassungsanspruch der anderen Wohnungseigentümer, der seit dem 1.12.2020 durch die GdWE ausgeübt wird (§ 9a Abs. 2 WEG), kann der bauwillige Wohnungseigentümer nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten, dass ihm ein Gestattungsanspruch zusteht, insbesondere wenn er gegen den erklärten Willen der anderen Wohnungseigentümer mit dem Bau beginnt, weil der Verstoß gegen den Beschlusszwang und das Vorbefassungsgebot dann folgenlos bliebe. Der BGH sieht aufgrund der Neufassung des § 20 Abs. 1 WEG die Pflicht beim Bauwilligen eine Beschlussersetzungsklage zu erheben. Demgegenüber sollen die übrigen Wohnungseigentümer nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer Klage durch die GdWE hinwirken zu müssen. Ob eine vollständig fertiggestellte bauliche Veränderung, die nach § 20 Abs. 3 WEG beansprucht werden kann, zurückgebaut werden muss, konnte der BGH allerdings offen lassen.

  1. Fazit

Es ist daher bauwilligen Wohnungseigentümern dringend zu raten, vor einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums einen Gestattungsbeschluss einzuholen. Bei einem eigenmächtigen Baubeginn können dem Bauwilligen durch den Baustopp, insbesondere bei einer im Wege einer einstweiligen Verfügung oder eines Urteils erzwungenen Unterlassung, erhebliche Kosten entstehen, nicht zuletzt dadurch, dass der Bauunternehmer gegen den Bauherren Folgeschäden (entgangenen Gewinn) geltend machen kann. Auch der zeitliche Aufwand ist nicht außer Acht zu lassen.

Obwohl die Möglichkeit besteht, einen Gestattungsbeschluss im Wege des Umlaufverfahrens gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG ohne Durchführung einer Eigentümerversammlung schriftlich einzuholen, ist dieses Vorgehen selten erfolgsversprechend, da ohne einen sog. Absenkungsbeschluss nach § 23 Abs. 3 S. 2 WEG hierbei stets eine einstimmige Entscheidung erforderlich ist.

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